Nach 17 Jahren und 7 Monaten auf vier kleinen Hundepfoten, die kleine Hundenase im Wind, die Löckchen geflochten und die Leckerchen immer in Blick, bleibt dein kleines Körbchen nun leer. Über diese lange Zeit wurde unsere Verbindung irrational tief und fest.
Wir haben so viel zusammen erlebt. Du hast mich mein ganzes Studium lang begleitet und mit mir ein Auslandssemester in Peru verbracht. Wir haben zusammen eine Therapiebegleithunde-Ausbildung absolviert. Du warst an meiner Seite, als ich Lehrerin wurde und hast mich auch einige Male in die Schule begleitet. Seit 18 Jahren habe ich Hunde. Ich kann und möchte mir ein Leben ohne Hunde nicht mehr vorstellen – dank dir. Mit dir habe ich so viel gelernt – über Körpersprache, über Haltung, über Führung und über mich selbst. Dein unmittelbares und niemals nachtragendes Feedback auf meinen Umgang mit dir war für mich in jeder Hinsicht lehrreich. Und so wurden wir ein erfolgreiches Hund-Mensch-Gespann, dass sich aufeinander verlassen konnte und eine wirklich schöne Zeit miteinander verleben durfte – auf unzähligen Waldspaziergängen und auf Gassirunden um die Schweriner Seen, im Winterurlaub in den Bergen und an herrlichen Strandtagen an Nord- und Ostsee. Und so ist diese Verbindung zwischen uns gewachsen, sie wurde fester und reifer und immer einzigartiger. Ich habe das an den vielen kleinen Trainingserfolgen gemerkt und an den Freiheiten, die ich dir damit immer mehr ermöglichen konnte.
Als du älter wurdest und damit auch die ersten Demenzzeichen einherkamen, durften wir uns auf einen neuen Lebensabschnitt einstellen. Die vielen Freiheiten, die wir uns nach und nach erarbeitet hatten, musste ich langsam wieder einschränken. Der Rückruf klappte nicht mehr zuverlässig. Erste Anzeichen von Desorientierung setzten ein. Manchmal bist du weggelaufen, wenn du die Orientierung verloren hast und damit kurz überfordert warst. Und so wurde klar, dass Spaziergänge ohne Leine nicht mehr möglich waren. Deine Ausdauer hat nachgelassen, damit wurden die Spaziergänge kürzer. Die Schlafzeiten wurden länger, der Schlaf wurde tiefer. Einige Male hast du im Schlaf so locker gelassen, dass du eingenässt hast. Mittels Medikation konnten wir das gut und zuverlässig in den Griff bekommen. Manchmal war dein Schlaf so tief, dass ich dachte, du würdest nicht wieder aufwachen. Berühren und Streicheln haben nicht genügt, um dich zu wecken. Ich habe etwas an deinem Brustkorb „gerüttelt“ und dann hast du mich ganz verdattert angeschaut, während mir ein Stein vom Herzen fiel. Deine Kräfte haben weiter nachgelassen und das Gleichgewicht zu halten, fiel nicht immer leicht. So habe ich dich morgens die Treppen herunter- und abends wieder hinaufgetragen. Der Garten wurde unser Aufenthaltsbereich für draußen. Etwas in der Sonne liegen, um die Beete schnuppern, mit den Katzen den großen Sitzsack teilen. Das war schön. Und trotzdem war klar, dass wir nicht mehr viel Zeit haben.
Dein Fell wurde dünner und dünner, deine Haut war vom Alter gezeichnet. Ein großes Hämatom von einer Punktion hat sich nicht mehr zurückgebildet. Du hast weniger gegessen und weniger getrunken. Verstopfung hat dich eine Zeit lang geplagt. Aber wir haben alles wieder gut in den Griff bekommen. Die Demenzzeichen hatten etwas nachgelassen, zumindest wirkte es so auf mich. Du hast wieder mehr meine Nähe gesucht und Kontakt gehalten. Das war wirklich schön. Mit kleinen Leckerlies konnte man dich aus deinem Körbchen locken und selbst die Kühlschranktür hast du wieder gehört. Immer hast du mich zum Lächeln gebracht, wenn du mir gefolgt bist. Eine ganze Weile hattest du das mehr nicht getant hast. Diese Zeit, in der du viel geschlafen hast und kaum angefasst werden wolltest, war anfangs irritierend, aber immer akzeptiert. Mein Verständnis für deine Bedürfnisse in diesem hohen Alter ist immer mehr gereift. In dieser Zeit gab es weniger ein Miteinander, eher ein Nebeneinander – ich konnte das annehmen, auch wenn es mich erst mal traurig machte. Es war okay so.
Dass sich diese kleine Lücke für wenige Wochen wieder schloss war überraschend schön.
In den letzten Tagen ging es dann schnell bergab. Die Kräfte haben dich immer mehr verlassen. An deinen letzten beiden Tagen haben wir zusammen und etwas abseits von unserem Rudel gelegen. Wir haben leise Musik gehört und ich habe ein gedankliches Zwiegespräch mit dir geführt, wir haben in Erinnerungen geschwelgt. Du hast mich genau beobachtet, jede Bewegung hast du wahrgenommen. Und mir war klar, dass du nicht allein sein möchtest. Immer blieb ich bei dir liegen, bis du eingeschlafen warst. Ich habe diese Verbindung zu dir immer noch deutlich gespürt.
In deiner letzten Nacht hast du dich ein paar Mal gemeldet. Wir haben ab 3 Uhr zusammen auf dem Sofa gelegen. Und auch unser Svenni kam dazu. Ab und an hast du gebellt oder gejault. Wir haben dir dann geholfen, dich in eine andere Position zu drehen, sodass du wieder Ruhe finden konntest.
Am nächsten Morgen war dann alles anders als jemals zuvor. Ich kann es kaum beschreiben. Du warst nicht weg, aber du warst auch nicht da. Du hast mich angesehen und auch reagiert, aber ich habe sie nicht mehr gespürt, diese Verbindung zwischen meinem Hündchen und mir, diese Verbindung, die über viele Jahre gewachsen ist, diese Verbindung, die so einzigartig erscheint wie ein Fingerabdruck. Deine Reaktionen wirkten reflexartig, nicht mehr authentisch, nicht mehr persönlich und nicht mehr individuell. Da wusste ich, heute ist der Tag, an dem du von deinem Leben loslassen kannst. Ich wusste, dass ich dich heute nicht mehr über die Regenbogenbrücken „schieben“ würde. Ich wusste, dass du an der Regenbogenbrücke stehst und ich dich nicht aufhalten werde – weil ich es nicht kann, weil ich es nicht will und weil es mir nicht zusteht. Und so begann der 03.12.2025 nach einer kurzen Nacht mit einem traurigen Morgen. Eine natürliche Stille war um uns. Unsere Tierärztin, die dich seit fast 10 Jahren kennt und betreut, hat dir mit zwei Spritzen den Weg geebnet und ich habe losgelassen. Es war unglaublich traurig, friedlich und still, als sie das letzte Mal nach deinem Herzschlag hörte und dann sagte: „Sie hat es geschafft.“
Natürlich haben wir deinen Körper mit nach Hause genommen. Am Abend habe ich dich ein wenig gewaschen, ein letztes Mal dein Fell gekämmt und dein Zöpfchen geflochten. Noch eine Nacht hast du im Gästezimmer gelegen, ehe wir deinen Körper am 04.12.2025 bei diesigem Wetter im Garten begraben haben. Und nun, keine zwei Wochen später schreibe ich diesen Text für dich – und für mich. Um noch einmal zu fühlen, wie wertvoll du mir warst, wie lieb ich dich hatte und wichtig mir auch deine letzte Lebenszeit war. Natürlich kullern mir die Tränen beim Schreiben dieser Zeilen. Aber es ist okay. Es darf auch schmerzhaft sein, wenn man ein geliebtes Tier verliert, wenn ein 17 Jahre und 7 Monate langes Leben endet und wenn man versteht, dass diese Situation nicht mehr umkehrbar ist.
Und ich schreibe diesen Text auch für andere Hundehalter:innen. Nicht als positives oder negatives Beispiel, nicht als Vorbild oder Anleitung. Es geht viel mehr um die Geschichte neben der Geschichte. Meine Ruby war eine immer kerngesunde Hündin, die am Ende ihres Lebens täglich zwei Tabletten einnahm, eine gegen Inkontinenz und in den letzten Lebenswochen eine Tablette gegen altersbedingte Schmerzen. Sie wurde dreimal operiert, einmal wurden zwei kleine Mammatumore entfernt und in dieser OP wurde auch eine Kastration vorgenommen, zweimal wurden ihr altersbedingt Zähnchen gezogen. Nun gut … Trotzdem glaubten Menschen, die es sicher gut mit Ruby und mit mir meinten, sich in die Frage, ob und wann mein Hund einzuschläfern sei, einmischen zu dürfen. Und weil diese Menschen es immer gut mit Ruby und mit mir meinten, habe ich mir angehört, was sie zu sagen hatten. Dabei habe ich gemerkt, dass mir niemand meine Entscheidung und meine Verantwortung für das Leben und für das Sterben meines Hundes in dieser konkreten Situation abnehmen kann. Ich muss diese Entscheidung alleine verantworten, ich muss sie alleine tragen und deshalb möchte ich sie auch alleine treffen, ungestört. Ich habe mich entschieden, nicht auf andere zu hören, egal wie drängend diese Meinungen sind. Ich habe mich entschieden, auf Rubys Lebenswillen und auf diese Verbindung zwischen meinem Hündchen und mir, die immer zwischen uns da war und im Verlauf der Jahre mehr und mehr gereift ist, zu achten. Für mich war diese Verbindung ein tragfähiges Fundament auf dessen Grundlage ich jeden Tag neu feststellen durfte, dass wir noch etwas Zeit haben … ehe sie dann abgelaufen war. Und so konnte ich zu jeder Zeit – in Rubys letzten Lebenstagen und auch am Tag ihrer Einschläferung – sagen, dass ich zufrieden war und immer noch bin. Der Zeitpunkt war für meine Ruby und für mich genau richtig, um loszulassen, nicht zu früh und nicht zu spät. Egal, was die anderen sagen.
So individuell wie unser Weg war, darf auch jeder andere Weg sein. Es ist unser Recht und unsere Pflicht, für unsere Hunde die bestmögliche Entscheidung zu treffen. Und niemand weiß besser, welche die bestmögliche Entscheidung ist, als das liebende Frauchen oder das liebende Herrchen.

